Vermehrung von NOB-Saatgut
Die Anerkennung von Saatgut aller Getreidearten ist im alternativen Verfahren der „Nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“, dem sogenannten NOB-Verfahren, möglich. Hier müssen nicht alle Saatgutpartien von Zertifiziertem Saatgut vor dem Verkauf amtlich untersucht werden. Ein erheblicher Anteil des Saatguts von Getreide in Niedersachsen und Deutschland durchläuft diesen alternativen Weg der Zertifizierung. Dabei wird der Saatgutwirtschaft ein hohes Maß an Eigenverantwortung übertragen und gleichzeitig beinhaltet es durchaus Vorteile für den Saatgutverbraucher. Im öffentlichen Internet kann jeder Saatgut-Käufer das von ihm konkret gekaufte Saatgut aufrufen und kontrollieren.
Dabei müssen, bezogen z.B. auf eine Partie mit 120 Tonnen Saatgut, nicht wie im herkömmlichen Anerkennungsverfahren vier Proben gezogen und untersucht werden, sondern es reicht eine repräsentative Probe aus vorgereinigter, nicht endgültig aufbereiteter Rohware. Diese Probe muss allerdings bereits die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Beschaffenheit erfüllen, die auch an herkömmlich zertifiziertes Getreidesaatgut gestellt werden: also u.a. eine Mindestkeimfähigkeit bei Gerste und Weizen von 92 % und bei den anderen Getreidearten von 85 %. Darüber hinaus sind das eine technische Mindestreinheit von 98 % und zum Beispiel ein maximaler Besatz mit anderen Getreidearten von 3 Körnern bezogen auf die Untersuchungsmenge von 500 Gramm. Das herkömmliche Anerkennungsverfahren gibt es natürlich nach wie vor; danach wird zurzeit in Deutschland immer noch die überwiegende Menge des Z-Saatgutes bei Getreide zertifiziert. Jedoch befanden sich in Niedersachsen im Erntejahr 2022 rund 40 % des zur Anerkennung neu vorgestellten Getreide-Saatgutes im NOB-Verfahren. Auch deutschlandweit hat das NOB-Verfahren eine hohe Verbreitung.
Zur Absicherung der Saatgutqualität sieht der Gesetzgeber eine amtliche Nachkontrolle des abschließend aufbereiteten Saatgutes in Form von 20 % Kontrollproben vor: für eine etwaige Überprüfung muss je 30 Tonnen des aufbereiteten Saatgutes mindestens eine Probe gezogen und bereitgestellt werden. Aufgrund der langjährig guten Erfahrungen wird der Kontrollumfang bei 25 %, mindestens aber eine Probe je Partie, belassen. Auch für das Saatgut aus dem Erntejahr 2022, also für Partien, deren Saatgut für die Aussaat zur Ernte 2023 vorgesehen sind, ist dieser an die gesetzliche Mindestnorm angenäherte Kontrollwert vorgesehen.
Wesentlich ist, dass für die Ziehung der Nachkontrollproben ein zugelassenes automatisches Probenahmegerät im Rohrsystem des Aufbereitungsbetriebes sachgerecht eingebaut sein muss. Die Vorteile solcher Geräte im Hinblick auf Repräsentativität der Proben und Erfüllung privatrechtlicher Nachweispflichten liegen auf der Hand. Die Absicherung beginnt bereits in der Feldbestandsprüfung: nur solche Vermehrungsschläge, die diese ohne jede Einschränkung mit Erfolg absolviert haben, finden Eingang in das NOB-Verfahren; ausgeschlossen sind feldbesichtigte Schläge, welche einen höheren Besatz aufweisen (nach § 8(2) feldbesichtigt). Auch der Vermehrer leistet also einen sehr wichtigen Beitrag zum guten Gelingen des Verfahrens. Auch diese Punkte erhöhen die Sicherheit des Verfahrens.
Logistik-Vorteile für den Saatguterzeuger
Der Saatguterzeuger hat den Vorteil, dass er die endgültige Aufbereitung der Partie erst durchführen muss, wenn – nach Vorliegen der Ergebnisse der repräsentativen Mischprobe – sich auch eine entsprechende Kundennachfrage abzeichnet. Das bedeutet für den Saatgutaufbereiter Kosten- und oftmals Zeit-Ersparnis. Damit wird ihm andererseits auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung übertragen. Durch die allgegenwärtige Nachkontrolle muss der Aufbereiter sicherstellen, dass das von ihm aufbereitete Saatgut zumindest die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt, ansonsten greift ein Maßnahmenkatalog (siehe unten). In der Regel liegt das endgültig aufbereitete Saatgut deutlich über den gesetzlichen Anforderungen.
Vorteile für den Saatgutverbraucher
Der Z-Saatgut anbauende Landwirt als Verbraucher zieht ebenfalls Nutzen aus dem Verfahren. Zunächst ist festzuhalten, dass zu erwarten ist, dass die Saatgutqualität genauso gut wie bei herkömmlich zertifiziertem Material ist. Einzigartig ist, dass deutschlandweit alle Saatgutpartien, die an diesem Verfahren teilnehmen, veröffentlicht werden. Partien, die in der Nachkontrolle negativ aufgefallen sind, werden dabei besonders gekennzeichnet und die entsprechenden Untersuchungsergebnisse sind einsehbar unter www.ag-akst.de, dem Portal der Arbeitsgemeinschaft der Anerkennungsstellen in Deutschland. Mit der Veröffentlichung der Daten ist sicherlich schon ein sehr wichtiger Schritt getan, aber die Konsequenzen sind durchaus weitreichender. Die Saatgutwirtschaft hat sich verpflichtet auf freiwilliger Basis Schadensersatz zu leisten, wenn bestimmte Normwerte unterschritten werden: freiwillige Entschädigungsleistungen greifen dann.
Weiterhin werden solche Aufbereitungsbetriebe gemaßregelt, bei denen Fehler vorgefunden werden: Ermahnungen, Entbindung des Probenehmers, Ausschluss vom Verfahren bis hin zur Einleitung weiterer rechtlicher Schritte. So werden in den Fällen, wo nicht nur die Anerkennungsnorm, sondern statistisch berechnete Toleranzwerte überschritten werden, nachträglich die Anerkennungen zurückgenommen, was unabhängig von den Entschädigungsregelungen die Konsequenz beinhaltet, dass die Erwerber jenes Saatgutes zu informieren sind, dass sie nicht anerkanntes Saatgut gekauft haben. Erkennen kann der Saatgutverbraucher NOB-Partien an dem Hinweis „anerkannt nach § 12 (1b)“ unter „Zusätzliche Angaben“ auf dem blauen Etikett (siehe abgebildetes Etikett). Auf dem weißen nicht amtlichen Anhang sind Angaben zur Keimfähigkeit und i.d.R. Tausendkornmasse zu finden. Da diese Angaben im Zuge der Anerkennung nicht für jede einzelne Partie amtlich ermittelt wurden, dürfen diese Angaben nur auf dem nicht amtlichen weißen Anhang erscheinen.
Kontrollergebnisse 2020 bis 2022
Mit dieser Vorgehensweise, die unter Einbeziehung der Saatgutwirtschaft erarbeitet wurde, ist ein hohes Maß an Verbraucherschutz und eine hohe Saatgutqualität zu gewährleisten. Dass dies gelingt zeigen auch die Erfahrungen in den mittlerweile 16 Erntejahren seit Etablierung dieses Verfahrens. In den Nachkontrollen der Erntejahre 2020-2022 fielen in Deutschland von den jeweils rund 2.000 Kontrollproben 2,6 bis 4,4 % negativ auf. Die Werte von 2,6 bis 4,4 % liegen niedriger als Vergleichswerte, die seit Jahren im Rahmen der Saatgutverkehrskontrolle festgestellt werden, wobei sich Saatgut aus Deutschland insgesamt durch ein hohes Qualitätsniveau auszeichnet, welches meist deutlich über den gesetzlich festgeschriebenen Normwerten liegt. Im Erntejahr 2022 lagen (vorläufig) von 1.856 Kontrollproben 85 unterhalb der Norm, d.h. also 4,1 %. Die Tabelle, s. PDF-Datei, zeigt die wesentlichen Zahlen aus Niedersachsen und Deutschland der Jahre 2020 bis 2022. 71 Aufbereiter, davon 14 in Niedersachsen, nehmen am NOB-Verfahren teil.
Fazit
Das zusätzlich mögliche Anerkennungsverfahren der „Nicht obligatorischen Beschaffenheitsprüfung“ wird von allen Seiten positiv beurteilt. Die Eigenverantwortung der Saatgutwirtschaft wird erhöht. Es besteht eine schnellere Verfügbarkeit des Saatgutes. Die Kosten der Aufbereitung lassen sich senken. Für Betriebe eröffnet sich die Möglichkeit, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Andererseits dürfte die Sicherheit für den Saatgut-Verbraucher letztlich genauso hoch sein wie beim herkömmlichen Anerkennungsverfahren. Darüber hinaus wird die Transparenz für den Verbraucher ganz erheblich erhöht aufgrund der deutschlandweiten Ergebnis-Veröffentlichung.
Downloads
Kontakte
Dr. sc. agr. Matthias Benke
Leiter Anerkennungsstelle für Saat- und Pflanzgut
0511 3665-4370
0152 5478 2474

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