Nachdem nun Anfang Dezember fast 99 % der Virustestung bezogen auf die erfolgreich feldbesichtigte Vermehrungsfläche abgeschlossen sind, wird deutlich, dass die Virussituation in den Pflanzkartoffelvermehrungen wesentlich entspannter ist als in den beiden Vorjahren und selbst im langjährigen Vergleich eher unterdurchschnittlich ausfällt, was positiv und beruhigend ist. Üblicherweise beträgt die Aberkennungsquote in Niedersachsen zwischen 4 % und 6 %. In diesem Jahr sind rund 3,3 % der erfolgreich feldbesichtigten Fläche betroffen wie die Tabelle zur Virustestung zeigt.
Warum im laufenden Jahr weniger Probleme?
Blattlausdruck vergleichsweise gering
Der Blattlauswarndienst in Niedersachsen startete mit seiner ersten Ausgabe am 05.05.2021. Die im März und April durchgeführten Saugproben auf Getreideflächen zeigten, dass nur wenige Blattläuse den Winter im Feld anholozyklisch überlebt haben. Die Blattlauspopulationen haben sich daher in diesem Jahr überwiegend aus den im Herbst auf den Winterwirten abgelegten Eiern entwickelt. Die ersten Stammmütter der Haferblattlaus und der Schwarzen Bohnenlaus waren in der letzten Februar-Dekade geschlüpft. Im Laufe des Monats März folgten dann Myzus persicae (Grüne Pfirsichblattlaus) und weitere Arten. Die insgesamt kalte bzw. kühle Witterung im Frühjahr hatte die Entwicklung der Blattläuse allerdings stark gebremst und lag deutlich hinter den Vorjahren zurück und blieb bis in die Sommermonate hinein vergleichsweise entspannt. So wurde bei der ersten Feldbesichtigung bei 5,5 % der Vorhaben Befall mit Blattläusen gefunden. Im Vorjahr waren davon 13,4 % der Vorhaben betroffen, was den höchsten Wert seit sehr vielen Jahren darstellte.
Auch in den Feldbeständen wurde dieses Jahr deutlich weniger Virus festgestellt als in den Vorjahren, obwohl die Hypothek aus dem Vorjahr nicht unerheblich war, da völlig unbelastete Basispartien also Ausgangspartien mit 0 % Virus für die Z-Pflanzgut-Erzeugung rar waren. Es wurde also sehr viel Arbeit in eine gute Selektionsarbeit investiert, was bei den diesjährigen Witterungsbedingungen nicht leicht war.
Betroffen von Aberkennungen in der Virusprüfung sind nahezu ausschließlich Sorten mit hoher Virusanfälligkeit für PVY (Y-Virus) und/oder PLRV. Bei einzelnen Sorten spielt auch PVM eine Rolle und ist vereinzelt sogar ausschlagend dafür, dass die Virusnorm nicht erfüllt wird. Insgesamt wurde bislang in 95 Vorhaben PVM festgestellt. Zum jetzigen Zeitpunkt sind insgesamt 37 Sorten von Aberkennungen betroffen, also weniger als die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr. Davon weisen 17 Sorten zumindest eine mittlere bis sehr hohe Anfälligkeit für das Y-Virus auf. Elf der betroffenen Sorten weisen eine Anfälligkeit gegenüber dem Blattrollvirus von 5 – 9, also mittel bis sehr hoch anfällig, auf. Fünf Sorten sind mittel bis sehr hoch anfällig für beide Virusarten.
Anders als im Vorjahr sind Vermehrungen von anfälligen Sorten in ökologisch-wirtschaftenden Vermehrungsbetrieben nur geringfügig stärker von Virusaberkennungen betroffen als Vermehrungen in konventionell arbeitenden Betrieben. In den Bildern 1 – 9 sind unterschiedliche Symptomausprägungen der verschiedenen Virusarten dargestellt im Vergleich zu gesundem Material der gleichen Sorten.
Keine Primärinfektionen im Feld zu sehen
Weiterhin wurden in diesem Jahr anders als in den beiden Vorjahren keine Primärinfektionen vorgefunden. In normalen Jahren treten im Rahmen der Feldbesichtigung, welche i. d. R. Anfang bis Mitte Juli abgeschlossen ist, und bei den Selektionsarbeiten die Virussymptome in Erscheinung, die mit dem Ausgangspflanzgut aus dem Vorjahr mitgebracht wurden, sogenannte Sekundärinfektionen. In den beiden vergangenen Jahren wurde von verschiedenen Seiten vom Auftreten von Primärinfektionen Ende Juli und im August berichtet.
Bei Primärinfektionen handelt es sich um die Virusinfektionen, die aufgrund früher Blattlausstiche im Mai im aktuellen Jahr gesetzt wurden und dann im Regelfall erst in der Virustestung in Erscheinung treten und festgestellt werden. Bei sehr frühen Infektionen und bei starkem Virusdruck kommt es in einzelnen Jahren, wie z. B. auch im Viruskrisenjahr 2008 und 2019, 2020 (Aberkennungsrate damals 16,7 % bzw. 11,2 %, 9,4 %) zu einer noch im Feld erkennbaren Symptomausprägung. Beim Y-Virus zeigen sich dabei beim klassischen PVY 0 Virus blattoberseits „Tintenspritzer“ und/oder Punkt-/Strichnekrosen.
Beim PVY N Virus zeigt sich eine Mosaikscheckung, seltener Strichel. In diesem Jahr reichte die Kartoffelpflanzung bis in die erste Juni-Dekade, war also erheblich verzögert und verzettelt. Besonders betroffen war die ostfriesisch/friesische Küstenmarsch sowie der Stader-Raum (nasses Dreieck) sowie einzelne Standorte auf den besseren aber schwereren Standorten in Südniedersachsen, da immer wieder Regenfälle die Auspflanzung unmöglich machten.
Im April bis weit in den Mai hinein verhinderten auch anhaltend kühle Temperaturen mit noch häufig auftretenden Nachtfrösten eine frühzeitige Pflanzung. Neben der Blattlaussituation war dies maßgebend, dass keine Primärinfektionen im Feld erkennbar wurden.
PCR-Methode ist sehr genau und hat sich bewährt
Seit 2018 erfolgt im amtlichen Anerkennungsverfahren die Virustestung von Pflanzkartoffeln flächendeckend in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie Sachsen-Anhalt mit dem molekularbiologischen Verfahren Realtime Polymerase chain reaction, kurz qPCR genannt, das hinsichtlich für die bei Kartoffeln relevanten Viren Blattroll, Y, S und seit diesem Jahr auch für M validiert vorliegt. Auch Bayern ist in diesem Jahr in die PCR-Untersuchung mit zwei verschiedenen Verfahren eingestiegen und beabsichtigt für das kommende Jahr die Bearbeitung der gesamten Vermehrungsfläche mit diesen Verfahren.
Im ersten Untersuchungsschritt erfolgt eine Isolierung der RNA/DNA aus dem vorliegenden Knollenmaterial, so dass für die sich anschließende qPCR-Untersuchung die hochspezifische Erbsubstanz der Viren vorliegt (Bilder 10 – 12). Wenn Augenstecklingsprüfung und ELISA-Untersuchung schon genau waren, so setzt hier mit der qPCR-Methode und der Analyse der Erbsubstanz noch eine weitere Präzisierung ein. Bei dieser Methode muss nicht auf das zeit- und kostenintensive Heranziehen von Pflanzen-/Blattmaterial im Gewächshaus gewartet werden, sondern die Untersuchungen können direkt am Knollengewebe vorgenommen werden. Damit geht eine erhebliche Zeitersparnis einher und zudem sind die o. g. Untersuchungsschritte automatisierbar, weshalb in Niedersachsen und ähnlich in Mecklenburg-Vorpommern bereits Anfang November der überwiegende Teil der Ergebnisse vorlag, andere Prüfstationen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht soweit.
100 % exakt wäre, wenn für jede Knolle und jedes Virus eine qPCR-Analyse von statten gehen würde. Um den Kostenaufwand in einem vertretbaren Rahmen zu halten und unter Berücksichtigung von statistischen Gesetzmäßigkeiten ist es jedoch möglich, jeweils 25 Knollen in einem gemeinsamen Pool für die Untersuchung aufzubereiten. Untersucht werden grundsätzlich 200 Knollen, also 8 Pools (Unterproben) à 25 Knollen, und im Wiederholungsfalle weitere 200 Knollen oder ein Vielfaches davon. Für eine solche Untersuchung auf die genannten vier Viren sind also 32 PCR-Analysegänge erforderlich. Die entsprechenden statistischen Grundlagen beruhen auf standardisierten, weltweit gültigen Statistik-Methoden der Internationalen Vereinigung der Testung von Saatgut. Die Niederländer, die zuerst mit dieser Methode in die Virustestung eingestiegen sind, mit derzeit über 40.000 ha Vermehrungsfläche, arbeiten sogar mit 4 Pools à 50 Knollen, vermutlich auch deshalb, weil ein höherer Anteil der Pflanzkartoffeln in natürlichen Gesundlagen (Küstennähe) steht. Bayern arbeitet mit 7 bzw. 12 Pools.
Fazit
Durch die in vielen Teilen Deutschlands verzögerte Auspflanzung verspätete sich auch zwangsläufig die Probenanlieferung. In Niedersachsen war dieser Rückstand bereits Anfang November mehr als aufgeholt. Anfang Dezember war die Untersuchung nahezu abgeschlossen. Nur einzelne Vorhaben, die noch nicht beerntet werden konnten und wohl verloren sind und einige wenige Wiederholungsteste stehen noch aus. Vor PCR lagen seiner Zeit bei rund 5.500 ha die Ergebnisse meist erst Ende Januar in Gänze vor. Mit PCR-Einsatz wurde also ein erheblicher zeitlicher Vorsprung erreicht. Auch wenn die Aberkennungsraten nicht nur in Niedersachsen moderat sind, ist der Virusthematik auch zukünftig höchste Aufmerksamkeit zu widmen. Denn in den beiden Vorjahren wurde schmerzhaft die teilweise in den Vorjahren in der Wirtschaft geäußerte Meinung widerlegt, dass die Viruskrankheiten kaum noch eine Rolle spielen. Zyklisch wird diese Problematik immer wieder aufschlagen und insbesondere dann die Sorten mit schwachen Resistenzeigenschaften treffen, was auch in diesem Jahr der Fall war. In diesem Segment ist sicherlich die größte Stellschraube zur Reduzierung von Virusproblemen zu sehen.
Kontakte
Dipl.-Ing. agr.
Dr. sc. agr. Matthias Benke
Leiter Anerkennungsstelle für Saat- und Pflanzgut
0511 3665-4370

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